Der Weg zur Entscheidung Mama zu werden

Ich komme aus einer großen Familie und als Kind war mein Lebensplan mit 20 zu heiraten und mit 24 Mama von zwei Kindern zu sein, insgesamt wollte ich gerne 5 Kinder.

Als ich dann in das Alter kam, wo es infrage kam über Kinder nachzudenken, haben mir die Ärzte gesagt, dass ich eine Schwangerschaft nicht überleben würde. Also beschloss ich, mich mit 18 sterilisieren zu lassen, um mich selber davon abzuhalten, meinem Bedürfnis Mama zu werden nachzugeben. Nur leider sterilisiert in Deutschland niemand eine 18 Jährige, die noch keine Kinder hat. In dem Alter war das auch noch nicht das Problem, nachdem ich mich mit 19 von meiner ersten großen Liebe (hierzu folgt ein anderer Beitrag) getrennt hatte, war das Thema Kinder erstmal wieder weit weg. Ich feierte 2 Jahre mein Single Dasein.

Aber mit Mitte 20 gingen bei mir die Glocken an und je mehr Leute um mich herum Kinder bekamen, um so unglücklicher wurde ich. Ich fing sogar an, mir und jedem anderen einzureden, ich würde Kinder hassen, nur um mein Herz vor dem Zerbersten zu schützen.

Als ich meinen Mann kennenlernte, sagte ich ihm schon früh in unserer Beziehung, dass wenn er mit mir zusammen sein will, ihm klar sein müsste, dass wir nie Kinder haben würden. Aus Liebe zu mir begrub er seinen Kinderwunsch.

Dann wurde ich von Jahr zu Jahr älter und wir heirateten, so wie viele unserer Freunde auch. Doch die Freunde bekamen Kinder oder planten es zumindest - nur wir eben nicht.

Ich begann mich neu mit dem Thema auseinander zu setzten; denn in meinem Leben wurde mir oft gesagt was alles nicht geht und ein paar Jahre später ging es doch.

Schon die Suche nach einem barrierefreien Frauenarzt war schwierig und die Wartelisten lang. Als ich noch in Heidelberg wohnte, war das Alles viel einfacher.

Mir wurde von einem Herrn, der selber Gynäkologe war, bis er durch einen OP-Fehler im e-Rolli landete, eine Praxis in Bendorf empfohlen. Ich rief zwei mal dort an und fragte lang und breit, ob es wirklich kein Problem sei, mit e-Rolli in die Praxis zu kommen. Dann wartete ich 3 Monate bis zu dem nächstmöglichen Termin, nur um dann vor einer Stufe zu stehen. Ich fühlte mich dezent verarscht.

Ich rief heulend bei meiner Hausärztin an und die allerliebste Arzthelferin half mir, eine barrierefreie Praxis mit weiblicher Ärztin (das war mir wichtig) zu finden, die sogar schon ein bisschen Ahnung von Rolliladys hatte.

Ich ließ mich beraten, machte Tests und wurde dann an die Uniklinik Bonn weitergeleitet. Dort ließ ich mich noch mehr beraten und machte noch mehr Tests. Ergebnis war, so richtig viel Ahnung hatte keiner und es gab auch keine Erfahrung mit meiner Erkrankung... Aber die Ärztinnen waren total nett und bemüht und positiv und hatten Erfahrungen mit ähnlichen Erkrankungen.

Es war also scheinbar gefährlich, aber möglich. Und nun wusste ich, ich will Mama werden, egal wie! 


Darf ich das?

Da stand ich nun mit meinem unbändigen Wunsch schwanger zu werden. Mit einem Mann, dem ich am Anfang unserer Beziehung sagte, dass das nie möglich wäre. Er hatte seinen Kinderwunsch für die Liebe zu mir begraben. Hatte ich das Recht jetzt meine Meinung zu ändern? Und was ist, wenn er sich dann unnötig Hoffnungen macht, weil es aus einem anderen Grund nicht geht? Oder was ist, wenn er zwar ein Kind will, aber nicht mit mir? Vielleicht ist es ihm zu anstrengend mit einer behinderten Frau und einem Kind.

Monatelang wusste ich nicht, wie ich das anfangen sollte. Ich habe es oft mit Anspielungen versucht, aber das zeigte null Wirkung. Mir kam es vor, als würde er es absichtlich ignorieren. Später sagte er mir, dass das Thema für ihn soweit weg war, dass er die Anspielungen wirklich nicht wahrnahm.

Anfang Januar kam er von der Arbeit nach Hause und es kam zu folgendem Gespräch:

ich: hallo Schatz, ich muss dir was sagen.

er: *ginst* bist du schwanger oder was?

ich: nein, wäre ich aber gerne.

mein Herz blieb fast stehen.

ich glaube seins auch.

Eigentlich wollte ich ihm was ganz Anderes sagen, aber diese Chance ließ ich mir nicht entgehen. Das war DER Moment, wo wir über das Thema redeten. Er hatte Angst um mich, was klar war, denn seine Info war ja, dass ich sterben würde, wenn ich schwanger werden sollte. Er freute sich auch ein bisschen, wollte aber auf jeden Fall von Ärzten hören, dass mir nichts passieren würde.

Wir wollten es langsam angehen. Was wir nicht wussten; ich war schon schwanger.


Der Test...

...war entgegen dem, was jeder darunter erwartet, kein Schwangerschaftstest, sondern ein GEN-Test. Ein einfacher Bluttest, um heraus zu finden, ob mein Mann Träger des Gendefekts ist, der zu meiner Behinderung SMA führt.

SMA ist keine Muskelerkrankung, sondern eine Nervenerkrankung, die zum Zerfall der Muskeln führt. Meine Muskeln sind eigentlich gesund, aber meine Nerven leiten ihnen die Info vom Gehirn, dass sie etwas tun sollen nicht weiter und wer nichts tut, der kann irgendwann auch nichts mehr tun.

Jeder Mensch hat defekte Gene, aber wenn zufällig zwei mit dem selben Defekt aufeinander Treffen, KANN es passieren, dass eine Behinderung wie meine dabei heraus kommt. Ich habe aber zwei gesunde Geschwister.

Was ich damit sagen will, ist, dass ich meine Behinderung nicht hätte alleine vererben können. Und Gott sei dank ist mein Mann kein Träger. Bedeutet: mein Baby konnte auf keinen Fall auch SMA bekommen. 


Setzt man freiwillig behinderte Kinder in die Welt?

Das ist wohl eine Frage, auf die es keine pauschale Antwort gibt, sondern nur eine Meinung.

 

Meine Eltern wussten damals nicht, dass sie Träger sind und man kann sich auch nicht auf alles testen lassen, wenn man nicht weiß, wonach man sucht. so viel Blut hat kein Mensch und das könnte auch Keiner bezahlen.

 

Mein Bruder war schon geboren als meine Eltern meine Diagnose bekamen und meine Geschwister sind glücklicherweise Beide gesund.

 

Meiner Meinung nach ist es absolut unverantwortlich ein Kind zu bekommen, wenn man vorher weiß, dass man seine/eine Behinderung vererben wird. Man will doch für sein Kind immer das Beste! Besonders wenn man selber eine Einschränkung hat und ständig kämpfen muss, weiß man doch, wie beschissen das ist und wünscht es nicht mal seinem schlimmsten Feind.

 

Ich muss ehrlich zugeben: ich hätte vermutlich abgetrieben, wenn ich gewusst hätte, dass das Kind eine Behinderung hat. Was übrigens in keinster Weise bedeutet, dass ich unglücklich bin oder mein Leben nicht schätze. Aber trotzdem wäre ein Leben ohne Behinderung schöner.

Zum Glück war der Bluttest meines Mannes negativ und da ich alleine die Krankheit nicht weitergeben kann, hatten wir die Sicherheit, dass wir kein SMA-Kind bekommen.